Full text: Volksmärchen der Deutschen

Vegenden von Rübezahl. 
Erſte Segende. 
Auf den Sudeten in Schleſien hauſet der Berggeiſt 
Rübezahl. Dieſer Fürſt der Gnomen beſitzt zwar auf der 
Oberfläche der Erde nur ein kleines Gebiet von wenig 
Mellen im Umfang, mit einer Kette von Bergen umſchloſſen. 
Aber wenige Lachter unter der Erdrinde hebt ſeine Allein 
herrſchaft an und erſtreckt ſich auf achthundertſechzig Meilen 
in die Tiefe, bis zum Mittelpunkt der Erde. Zuweilen ge 
fällt es dem unterirdiſchen Herrn, ſeine weitgedehnten Pro 
vinzen in den Abgrunde zu durchkreuzen, die unerſchöpflichen 
Schatzkammern edler Fälle und Flötze zu beſchauen, die 
Gnomen in Arbeit zu ſetzen, teils um die Gewalt der Feuer 
ſtröme im Eingeweide der Erde durch feſte Dämme aufzu 
halten, teils taubes Geſtein in edles Erz zu verwandeln. 
Zuweilen entſchlägt er ſich aller unterirdiſchen Regierungs 
ſorgen, erhebt ſich zur Erholung auf die Grenzfeſte ſeines 
Gebiets und treibt auf dem Rieſengebirge Spiel und Spott 
mit den Menſchenkindern. 
Denn Freund Rübezahl iſt launiſch, ungeſtüm, ſonderbar; 
bengelhaft, roh, unbeſcheiden; ſtolz, eitel, wankel mütig, heute 
der wärmſte Freund, morgen fremd und kalt; zu Zeiten gut 
mütig, edel und empfindſam: aber mit ſich ſelbſt in ſtetem 
Widerſpruch, Aichelt und weiſe, oft weich und hart in zwei 
Augenblicken; ſchalkhaft und bieder, ſtörriſch und beugſam. 
Schon vor walten Zeiten tobte Rube zahl in dieſem wilden 
Gebirge, hetzte Bären und Auerochſen an einander, oder 
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