Full text: Die Gedächtnißkunst oder praktische Anleitung, in kurzer Zeit ein vorzügliches Gedächtniß zu erlangen, um Zahlen, Namen, Wörter, Erzählungen, Gedichte, Anecdoten etc. leicht und bleibend zu merken

12 Das Gedächtniß. 
Wahrnehmungen ꝛc. iſt. — Dabei iſt aber zweierlei zu 
beobachten, nämlich: 
àa) Daß am Menſchen nicht alle Sinne zugleich, ſon⸗ 
dern daß ſich dieſelben nach und nach ausbilden. Zuerſt 
nämlich das Gefühl, der Geſchmack, dann das Geſicht, 
Gehör, der Geruch. Immer muß ihr erſtes Auftreten 
abgewartet werden, man muß ſo lange harren, bis ſie 
bemerkbar gegen die Eindrücke der Außenwelt reagiren, 
bevor man ſie übt, um das Gedächtniß auszubilden; — 
denn ſo lange als dieſe Reaction fehlt, iſt das Sinnen— 
organ noch im Innern ſtill beſchäftigt mit ſeiner körper⸗ 
lichen Ausbildung, und jede gewaltſame Uebung der 
Sinne vor dieſer Zeit kann Zerſtörung und Vernichtung 
derſelben für's ganze Leben zur Folge haben. 
b) Daß man, wie nach und nach immer mehr Blü— 
then des Geiſtes zur Entfaltung kommen, den kindlichen 
Geiſteskräften angemeſſen, die dem Kinde vorgeführten 
Sinneseindrücke erklärt. Dadurch feſſelt man frühzeitig 
die Aufmerkſamkeit, das Kind lernt unterſcheidende Merk— 
male kennen, urtheilen, und ſein Gedächtniß bildet ſich 
mehr zum Sachgedächtniß aus und wird ſchnell, treu und 
ſtark zugleich. 
Je mehr nun der Menſch aus den Jahren der 
Kindheit heraustritt, je mehr er geiſtig reif wird, deſto 
mehr muß man ſorgen, daß das Neuerlernte mit dem 
Vorigen zuſammenhänge, ſich in gehöriger Ordnung ihm 
anreihe; daß es in allen ſeinen Beziehungen aufgefaßt 
und immer wieder in anderen Verbindungen zurückgerufen
	        
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