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verſchwunden und die junge Frau behielt nicht Zeit, zu
denken, ob, was ſie geſehen, Augentäuſchung oder etwas
Wirkliches geweſen.
Sie nahm am Arm ihres Gatten, ſeine Nichte Roſy,
das junge dunkeläugige Mädchen bei der Hand haltend, die
Begrüßungsrede des Direktors, der im Namen der Beamten
und Arbeiter die Glückwünſche aller darbrachte, entgegen,
ſie ließ ſich die Herren vorſtellen und ging dann die Treppe
hinauf, um Fräulein Delf, die alte Erzieherin Roſys, zu
begrüßen.
Alle, Hohe und Niedere, Große und Kleine, die ſich
verſammelt hatten zum Empfang der jungen Gattin ihres
Brotherrn, der das Gerücht vorausgeilt war, daß ſie
eine gar vornehme Dame ſei, waren befriedigt von ihrem
Anblick.
So gar ſchön war ſie, fein und ſtolz ſah ſie aus,
aber ſo holdſelig dabei, ſo freundlich und jung, daß die
Herzen ihr zuflogen, und ein freundliches Durcheinander von
Stimmen ihr Lob verkündete, während die Muſik eine luſtige
Weiſe ſpielte und der Direktor die Arbeiter und die Kinder
aufforderte, ſich ordnungsmäßig in die beſtimmten Räume
zu begeben, wo eine feſtliche Mahlzeit für ſie den Feiertag
beſchließen ſollte. —
Die Wohnräume des Hauſes, die Jutta nun betreten
hatte, waren in ihrer altmodiſchen, kleinbürgerlichen Aus⸗
ſtattung nichts weniger als ſchön, dennoch machten ſie ihr,
die nun, von der Reiſe und den mancherlei Aufregungen
der Ankunft ermüdet, auszuruhen wünſchte, einen behaglichen
Eindruck.
Überall fand ſie die Zimmer warm und gegen die