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lieben Daniel verſtimmte, nur noch wenige Tage und ſie war
gewiß, alle Nebel würden weichen vor den Strahlen der Liebe.
Am natürlichſten wäre es ihr geweſen, ihn, ohne irgend
welche äußere Vermittlung abzuwarten, gleich fragen zu können,
was ihm ſei, aber — und das war es eben, was ſie kränkte,
als herrſche doch noch nicht jenes unbeſchränkte Vertrauen,
jene alles glaubende Liebe zwiſchen ihnen, die ſie gehofft,
— ſie fürchtete, die herbeigeführten Erörterungen könnten ihr
etwas nehmen von dem hochgehaltenen Gefühl für den Gatten!
Roſys Mitteilungen hatten ſie aufs wirkſamſte zerſtreut
und ihren Gedanken eine neue Richtung gegeben. Sie wollte
einmal recht kühn ſein, recht eigenmächtig handeln! — Roſy
ſollte ebenfalls nach Marſtein kommen! — Jutta wollte die
Mittel zur Reiſe und deren möglichſt gefahrloſe Einrichtung
ſo bald als möglich dem Pfarrer Goldmann mitteilen, ſie
zweifelte nicht, daß er ihrem Wunſch willfahren würde.
Eveline ſollte Roſy entgegenreiſen, um das junge Mädchen
wohlbehalt en nach Marſtein zu bringen, oder vielmehr bis
zum Bahnhofe der Stadt, von dem ſie Jutta abholen wollte,
heimlich, um dann im Triumph die lieben Gaſte nacheinander
dem Gatten entgegenzubringen. Sie eilte, die notwendigen
Briefe zu ſchreiben und ſchloß, um ungeſtört zu ſein, die Thür
ihres Kabinetts hinter ſich zu. Im Eifer des Schreibens über⸗
hörte ſie den anfahrenden Wagen und als Herr van Smitten,
ihren Anblick ſuchend, leiſe öffnen wollte, fand er, daß ihm der
Eintritt verſagt war.
Er atmete unwillkürlich tief auf, als erſchwere ein
Druck auf der Bruſt ihm plötzlich jede Bewegung und zog
ſich dann geräuſchlos in ſein eigenes Zimmer zurück. —