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weſens fehlte, Herbert hatte dieſelbe auch bei ihm bekannten,
deutſchen Familien nicht ſo gefunden, wie jetzt in Marſtein.
Er begriff jetzt ſehr wohl den Enthuſiasmus Roſys
für die ſchöne Tante, denn, wenn er auch Herrn van
Smittens liebenswürdigem Weſen volle Gerechtigkeit wider⸗
fahren ließ, wußte er doch zu wohl, daß die Frau die
Schöpferin, die Trägerin der Harmonie des Hausweſens iſt!
Herbert überließ ſich ganz ohne Bedenken, ja mehr
noch, ohne überhaupt darüber zu denken, dem Zauber dieſes
Zuſammenſeins, der immer klareren Erkenntnis eines Weſens,
das mit der ſchönen Form auch die ſchöne Seele vereinigte.
Was war das junge Mädchen im Ballſaal, das er ge⸗
liebt, um das er werben wollte, gegen dieſe Frau? — Das
Morgenrot im Vergleich zum ſchönſten Tage! Die noch ſcheu
verhüllte Knoſpe gegen die im ſchönſten Reiz erſchloſſene Roſel
— Es war eine beſtändige Freude, ſie zu ſehen, zu hören,
ihre einfache Weiſe, jedem angenehm zu ſein, oder doch gerecht
zu werden, ihr Gehen und Kommen zu beobachten! — Ob er
ſie noch liebe? — Er fragte es gar nicht, es verſtand ſich von
ſelbſt, er hatte ſie ja immer geliebt, wie viel mehr jetzt, da ſie
ihm als die Verkörperung alles Schönen und Guten erſchien?
Herbert dachte nicht an Gefahr, Jutta erſt recht nicht,
und Herr van Smitten auch nicht, denn er fand das offene,
heitere Benehmen ſeiner Frau gegen den Gaſt, den er ſo
gern auf ſeinem Beſitz feſtgehalten wiſſen wollte, der ihm
ſelbſt ſo gut gefiel, bewunderungswürdig taktvoll.
Auch die übrigen Gäſte des Hauſes, die ſich mehr
und mehr von Badekuren und Reiſen zurückkehrend, wieder
einſtellten und zuweilen zu kleinen Geſellſchaften geladen, oder
einzeln kommend in zwangloſer Heiterkeit den kleinen, häus⸗
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