Full text: Des Herzens Heimat

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jedes vernunftbegabte Weſen das Recht habe, ſein Glück 
auf ſeine Weiſe zu ſuchen und zu finden? — War das 
die Liebe, die dieſer Mann ihr mit unzähligen Blicken, 
reizenden kleinen Aufmerkſamkeiten, mit ſchriftlichen und 
mündlichen Verſicherungen geſtanden? 
Sie ſprang jäh auf, ſie lachte, daß es ihr ſelbſt gellend 
und unheimlich klang und eilte aus dem Zimmer. Aus 
der Kinderſtube tönte Geſchrei der Kleinen und Schelten 
der Wärterin, das jene beſchwichtigen ſollte. Die junge 
Frau beachtete es nicht. Sie ging, ſich haſtig zum Aus⸗ 
gehen anzukleiden; es war vier Uhr, wenn ſie gleich einen 
Wagen bekam, konnte ſie noch vor fünf in Marſtein ſein. 
Sie wollte zu Jutta, warum, das wußte ſie ſelbſt nicht 
klar, aber ſie mußte zu ihr, ſie ſehen, ſie anklagen, denn 
Jutta war ſchuld an ihrem Unglückl 
Dieſe Frau mußte eine Heuchlerin, eine Kokette ſein. 
Mit beſonderer Kunſt mußte ſie die Männer zu bethören 
wiſſen, denn wie war es ſonſt möglich, daß Burgwart ſie, 
die ihn zweimal verſchmäht, die ihn mit feinem Spott in 
ſeine Schranken zurückgewieſen hatte, daß er ſie noch lieben 
konnte? 
Und betete ihr eigener Gatte ſie nicht förmlich an? — 
Hatte ſie nicht auch dieſen kleinen, ſchlauen Neffen, der 
ſich ſelbſt mit Stolz ihren Pagen nannte, im Netz? Hörte 
man nicht neuerdings erzählen, daß der Amerikaner Herbert, 
der Erbe von Schattenthal, für die van Smittens alle 
zuſammen ſchwärme und faſt ein täglicher Gaſt in Marſtein 
ſei? Ging das mit rechten Dingen zu? Nein, dachte 
Nina in ihrem vollſtändig verſtörten Sinn, der einen 
Ausweg ſuchte aus der rings einbrechenden Nacht der
	        
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