Full text: Blüthen und Früchte aus dem Garten des Lebens

„Haben Sie Mitleid,“ ſprach die gute Tochter, „haben 
Sie Mitleid mit meinem armen Vater, der den Ruf ſtrenger 
Rechtlichkeit immer für ſich hatte; haben Sie Mitleid mit 
uns, ſeinen unſchuldigen Kindern! Uns rauben Sie den Er— 
nährer, dem Geſchäft den Vorſteher, ihm den guten Namen 
für immer! Ja, wenn Sie auf Ihrer Abſicht beharren, ſo 
folgt ſogar, daß Sie das Haus zum Erklären des Bankerots 
nöthigen, wodurch Sie alsdann nicht blos uns, ſondern auch ſich 
ſelbſt den größten Schaden zufügen. Befreien Sie ihn aber, 
ſo wird er ſeinen Fleiß verdoppeln und Sie redlich bezahlen.“ 
ö Heiße Thränen rannen über die Wangen des braven Mäd⸗ 
chens. Sie nahm nun ihre Schmuckſachen und ihr Sparbüch— 
ſengeld, und legte es vor den Mann hin, der ihr ſchweigend 
bis jetzt zuhörte und ſagte: „Nehmen Sie dieß als Abſchlags— 
zahlung. Es iſt Alles, was ich beſitze, und was ich mir ſeit 
Jahren erſpart habe.“ 
„Ich habe einen Plan entworfen, den Sie billigen werden. 
Sie bedürfen gewiß in Ihrem Hausweſen eines Dienſtmäd⸗ 
chens. Ich flehe Sie an, geben Sie mir dieſe Stelle. Den 
Lohn, welchen Sie einem ſolchen Mädchen geben, rechnen Sie 
jahrlich auf meines Vaters Schuld ab. Ich will arbeiten Tag 
und Nacht, ſo weit meine Kräfte reichen. Keine Arbeit ſoll 
mir zu ſchwer, keine zu niedrig ſein. Ich will ſie thun ohne 
Widerrede, ohne Säumen. Ich will Ihr Beſtes fördern, wo 
ich kann — nur geben Sie meinen guten Vater frei, daß 
meine liebe Mutter und Geſchwiſter nicht darben müſſen, daß 
keine Schande unſern guten Ruf verderbe, und meine kleinen 
Geſchwiſter einen Erzieher haben. Ich will das Unterpfand 
ſein!“ 
Sie ſprach dieſe Worte mit einem hinreißenden Gefühle.
	        
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