Full text: Blüthen und Früchte aus dem Garten des Lebens

— 10— 
einen Pennh geringer wäre,“ erwiderte mit edlem Stolze der 
junge Britte. 
„Braver Junge!“ rief mit unwillkürlicher Bewegung der 
Kaiſer aus und betrachtete ihn mit wachſender Theilnahme. 
„Aber ſprich,“ fuhr er halblächelnd fort, „haſt Du nicht etwa 
eine Braut daheim, die eben ſo viel Antheil an Deiner Sehn⸗ 
ſucht hat, als die Liebe zum Vaterlande?“ 
„Nein!“ ſprach Tom, und das Gefühl brachte eine Thräne 
in ſeine Augen; „aber eine Mutter hab' ich in meiner Hei⸗ 
math, die in Kummer vergeht; die ohne meine Unterſtützung 
darbt; zu der mich die kindliche Liebe hinzieht. Ich will's be⸗ 
kennen, die Liebe zu ihr hat mehr Antheil an meinem Stre⸗ 
ben, die Freiheit zu erlangen, als die zum Vaterlande!“ — 
Er faltete ſeine Hände, blickte nach oben und ſprach aus dem 
Innerſten ſeiner bewegten Seele: „O Gott, meine theure 
Mutter, wenn ſie wüßte, wie es um mich ſteht!“ — 
Napoleon, der kalte ſelbſtſüchtige Eroberer, für deſſen 
Ehrgeiz Europa zu klein war — fühlte hier die Macht ei⸗ 
nes heiligen Gefühls in der eigenen Bruſt. Sein Auge 
wurde feucht. Eine Weile ſah er an den Boden, als wollte 
er ſo Herr werden über das Menſchliche, das ſeine Seele be⸗ 
ſchlich; dann richtete er mit dem Ausdrucke der aufrichtigſten 
Theilnahme ſein Auge wieder auf den Jüngling. 
„Mußt Du Deine betagte Mutter ernähren?“ fragte er. 
„Ja,“ ſprach Tom, „ich bin zur See gegangen, um ihr 
meinen Matroſenlohn zu geben und ſie ſo vor Noth zu ſchützen, 
und hatte Ausſicht zu einer einträglichern Stelle, als ich 
gefangen genommen wurde. So wurden alle meine Hoffnungen 
vernichtet und meine theure Mutter darbt!“ 
Napoleon, noch immer von tiefem Mitgefühle bewegt, ſah
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.