Full text: Blüthen und Früchte aus dem Garten des Lebens

— 154 — 
bleichem Angeſicht und rothgeweinten Augen, als ſie ihr letztes 
Kind begraben hatte. Alle ihre Freuden und alle ihre Schmer— 
zen hatte ſie hier durchlebt geduldig in Trübſal, dabei aber 
fröhlich in Hoffnung auf die Hülfe des Herrn. Nun aber 
wurden ihre letzten Tage immer trauervoller, denn nur ſelten 
blieb noch ein Käufer vor der kleinen Bude ſtehen, ja oft, 
ſehr oft, mußte ſie Abends ihr kleines Waarenlager ſchließen, 
ohne einen Groſchen gelöſ't zu haben. Da mußte ſie denn frei— 
lich darben und entbehren. Sie hatte zwar nie etwas von Wohl⸗ 
leben geſchmeckt, aber immerdar doch ſo viel errungen, um des 
Leibes Leben von einem Tage zu dem andern friſten zu 
können. 
Jetzt aber war ihre Noth überaus groß geworden, denn ſchon 
ſeit drei Tagen hatte ſie auch gar nichts verkauft, und doch war 
die Miethe für die kleine Kammer, worin ſie des Nachts ſchlief, 
fällig. Zwar machte ihr dieſe Schuld nicht gerade ſo großen 
Kummer, denn ſie wohnte bei armen Leuten, die ſelbſt den 
Mangel und die Noth nur zu gut kannten, und die deshalb 
mit der noch ärmern Alten Nachſicht hatten bis auf beſſere 
Zeiten. Aber der Mann von dem ſie die Spielſachen und die 
bunten Bilder bezog, war, obwohl reich, doch harten Herzens. 
Er hatte gedroht, wenn Elſe die für ihn unbedeutende Schuld 
nicht zahlen würde, ihr gerichtlich die Bude verkaufen, ſie ſelbſt 
aber in den Schuldthurm ſperren zu laſſen. 
Sa ſaß ſie denn ganz ſorgenvoll da, das Haupt gebeugt, 
die hagern Hände gefaltet in den Schooß geſenkt zu ihren 
ſtillen Herzensgeſprächen. Draußen aber zwitſcherte die Lerche 
recht fröhlich, denn der Frühling war gekommen; aber ihr 
ward immer weher um's Herz und ſie wünſchte ſich ſehnlich 
dorthin, wo ihr braver Mann und ihre Kinder längſt ruheten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.