Full text: Mährchennovellen und Erzählungen, grösstentheils nach Stoffen Heinrich Zschokke's

war es, und ſprach: „Ihr erfahrenen, ruhmreichen Herren, ge⸗ 
ſtattet dem Jünglinge ein Wort aus des Herzens tiefſter Tiefe. 
Schön iſt des Herrn Schöpfung vom Größten bis zum Kleinſten. 
Alle Geſchöpfe zeugen von ſeiner Allgewallt, von ſeiner uner⸗ 
ſchöpflichen Weisheit, von ſeiner unendlichen Liebe. Doch wel⸗ 
ches iſt für unſern Erdball das vollkommenſte Zeugniß von 
Gottes Größe? Wir ſind's. Der Menſch iſt es der Menſch 
in ſeiner vollkommenſten Reinheit, der Menſch auch in ſeiner 
erſchütterndſten Verworfenheit. Jener iſt uns ein Muſter, wenn 
er der bei der Schöpfung ſchon beſtimmten Gottähnlich keit nahe 
gekommen iſt; dieſer bewegt d den langmüthigen Gott zu immer 
ſtärkerer Allmachtsäußerung, zu immer neuen weiſen Wegen, zu 
immer größerer, innigerer Liebe, um ihn zu retten, zurückzufüh⸗ 
ren auf die Bahn der Tugend, zu befreien ihn von d dem Jammer 
der Sünde. Der Mann iſt es in Körperſchönheit, Kraft, 
Seelenſtärke und Edelmuth; das Weib in treuer Hingebung, zarter 
Liebe, reinen, engelreinen Gedanken und frommen, gläubigem 
Vertrauen; das Kind mit dem Seraphsantlitz, den Tauben— 
augen, dem Goldgelock um das verklärte Haupt bei der Liebe 
der herzigen Eltern. Ihr Meiſter auch ſeid es mit Euern 
Gnadengaben, mit Eurer Himmelskunſt. Darum, Ihr Edeln, 
wählet den Edelſtein der Schöpfung, wählet den Menſchen für 
Euer Kunſtgebild, wenn Ihr den Schöpfer ehren wollt! Ihr 
Alle ſeid die Preisrichter, unſer gnädigſter Herzog fälle das 
Schlußurtheil und kröne den Sieger!“ 
„Gut geſprochen, mein wackerer Paolo,“ ſprach der in⸗ 
zwiſchen hinzugetretene Herzog, „aber erfüllet mir eine Bitte, 
Ihr Herren! Ein Weib male Jeder, ſei es Natur, ſei es 
Phantaſie, daß ſie mein Haus zieren bis in ſpäte Zeit als Ein 
Denkmal des heutigen Abends. Wollt Ihr?“ 
„Es ſei!“ ſprachen mit Titian die Andern. 
Nun verabredeten ſie, daß an eben dem Tage über ein 
er 
ſter
	        
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