Full text: Äsops Fabeln für die Jugend

Der Fuchs und der Storch. 
Ein Fuchs hatte einen Storch zu Gaſte gebeten. Er ſetzte 
ihm die leckerſten Speiſen vor, aber nur auf ganz flachen 
Schüſſeln, aus denen der Storch mit ſeinem langen Schnabel 
wenig freſſen konnte. Gierig fraß der Fuchs alles allein, ob— 
gleich er den Storch unaufhörlich bat, es ſich doch ſchmecken 
zu laſſen. 
Der Storch fand ſich betrogen, blieb aber heiter, lobte 
die Bewirtung außerordentlich und bat ſeinen Freund auf den 
andern Tag auch zu Gaſte. Der Fuchs mochte wohl ahnen, 
daß der Storch ſich rächen wollte, und wies die Einladung 
ab; aber der Storch ließ nicht nach, ihn zu bitten, doch bei 
ihm Gaſt zu ſein, und der Fuchs willigte endlich ein. 
Als er nun andern Tags zum Storche kam, fand er alle 
möglichen Leckerbiſſen aufgetiſcht, aber nur in langhalſigen 
Geſchirren. „Folge meinem Beiſpiele!“ rief ihm der Storch 
zu, „tu, als wenn du zu Hauſe wäreſt!“ Und während er 
ſo ſprach, ſchlürfte er mit ſeinem Schnabel ebenfalls alles allein, 
indes der Fuchs zu ſeinem größten ÄArger nur das Nußere 
der Geſchirre belecken und nur daran riechen konnte. 
Hungrig ſtand er vom Tiſche auf und geſtand zu, daß 
ihn der Storch für ſeinen Mutwillen hinlänglich geſtraft habe. 
Was du nicht willſt, daß man dir tu', 
Das füg' auch keinem andern zu.
	        
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