Full text:

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Dieſen Reim ſprach die Schildbürgerin, die ſich 
nicht wenig auf ihre Dichtkunſt zu gute that, ihrem 
Hauswirth neun und neunzig Mal vor, und er ebenſo 
oft ihr nach, bis er ihn ganz gekaut und verſchluckt 
zu haben meinte. Aber auch die andern Schildbürger 
hatten nicht geraſtet, vielmehr hatten Alle vom eifrigen 
Reimen größere Köpfe gekriegt, und da war ihrer Kei— 
ner, der nicht die ganze Nacht über Schultheiß geweſen 
wäre. ö 
Als nun der angeſetzte Tag erſchien, an welchem 
ein weiſer Rath zuſammentrat, um zur Wahl eines 
Schultheißen zu ſchreiten, da hätte man Wunder hören 
können, welch' zierliche, wohlgeſchloſſene Reime von ih— 
nen vorgebracht wurden. Freilich war es Schade, daß 
die edlen Rathsherren ſammt und ſonders, in langer 
Ausübung ihrer verſtellten Narrheit, zu einem ſo ſchwa— 
chen Gedächtniſſe gekommen waren, daß ihnen allemal 
das rechte Schlagwort des Reimes beim Herſagen 
ausgieng, ſo daß zum Beiſpiel der fünfte (denn der 
erſten vier vortreffliche Reime ſind verloren gegangen) 
ſeinen Reim alſo vorbrachte: 
Ich heiße Meiſter Hildebrand 
Und lehne mein'n Spieß an die — Mau'r. 
Worüber denn jedesmal die andern Alle lachten, 
jeder, bis das Reimen an ihn ſelber kam. Der Schwei— 
nehirt ſtand weit hinten, und wegen ſeines niedrigen 
Standes kam die Reihe unter den Letzten an ihn. 
Er war in tauſend Aengſten, denn er fürchtete immer,
	        
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