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Stimme: „Was fehlt Dir, liebes Kind? Sage es mir
und ich will thun, ſoviel ich vermag, Dir zu helfen!“ —
— Bei dieſen Worten fiel die Mutter, der Tochter vor⸗
greifend, ein und ſagte mit etwas gemildertem Tone:
„Gewiß, Madame, Sie ſind ſehr gütig, daß Sie ſo zu
ihr ſprechen, denn Sie ſehen in ihr ein ungehorſames,
undankbares Kind. Sie hätten nur die Worte hören
ſollen, die ſie eben zu mir ſprach, zu mir, ihrer Mutter!“
— — „Ich habe ſie gehört!“ entgegnete Adele, „ſie ſagte,
ſie habe ihr Leben für Euch hingegeben, was meinte ſie
damit? Was meinteſt Du, Lucie?“ fragte ſie mild, zu
dem jungen Mädchen gewandt, welches ihr Geſicht mit
den Händen bedeckte — — „Vergieb mir, Mutter, ich
that Unrecht!“ ſtammelte Lucie ſchluchzend, „aber ich weiß
manchmal gar nicht, was ich thue und ſpreche. Fräu⸗
lein,“ ſetzte ſie traurig hinzu, „ich bin gewiß nicht undank⸗
bar. Wüßten Sie, wie mein ganzes Herz in der lieben
Heimath blieb, und wie elend ich hier in dieſen düſtern
Mauern bin, Sie würden mich bedauern und es mir ver—
zeihen, daß ich manchmal heftig und ungeduldig werde.“
und wieder nahm die Mutter das Wort: „Elend
warſt Du nicht eher, als da er kam, und nun, da er fort⸗
geht, wird es anders werden. Der Tag, an dem er
Paris verläßt, wird für uns Beide ein glücklicher ſein!“
—In ͤdieſem Augenblicke hörte man ſchwere Fuß—
tritte auf der Treppe, dann zornige Stimmen Lucie