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wirſt nun ſehen, wie treu er an Dir hält und wie dankbar
er Dir iſt für alle Opfer, die Du ihm gebracht haſt —
Opfer, Lucie, die Dir für Deine Mutter zu ſchwer ge⸗
weſen wären!“ — — „Mutter!“ ſtammelte das arme
Mädchen, wie mit der letzten Kraft eines gebrochenen
Herzens: „Meine Schönheit habe ich für ihn hingegeben,
mein Leben aber für Euch!“ — — Adele horchte nicht
länger; durch das tiefe Weh in Luciens leiſem Ton der
Verzweiflung höchſt erſchüttert, klopfte ſie an die Thür,
und ohne erſt auf ein „Herein“ zu warten, hob ſie die
Klinke und trat ſchnell ein. — — Lucie ſaß am Fenſter,
mit Arbeit beſchäftigt, wenigſtens ſchien ſie es zu ſein,
denn ſie neigte ſich über ein Gewinde künſtlicher Blumen,
durch welche ihre abgezehrten Finger ſich mit ſchneller,
krampfhafter Bewegung ſchlangen. Es bedurfte indeſſen
keiner ſehr ſcharfen Beobachtung, um zu bemerken, daß
das Werk nur äußerſt langſam fortſchritt; ſelbſt die innere
Angſt, mit der ſie arbeitete, ſchien ihre Bewegungen zu
hemmen, und die großen Thränen, welche von Zeit zu
Zeit auf die Blumenblätter fielen, verdunkelten ihr Auge
ſo, daß die Hand oft gänzlich ruhen mußte. Bei Adelens
Eintritt hatte ſie gar nicht aufgeblickt, auch ihrer Mutter
Ausruf des Erſtaunens und der Ueberraſchung nicht ge—
hört, und ſo war das Fräulein von Varenne an ihrer
Seite, ehe ſie noch deren Anweſenheit bemerkt hatte.
Adele berührte ſanft ihren Arm und fragte mit ſchmeichelnder
C. Crimm, Lebensbilder. 2