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etwas ſchlaftrunken und Paul gar nicht zu ermuntern.
Der Vater nahm das Kind in ſeine Arme, und ſo ſchritten
ſie eine Zeitlang langſam vorwärts, in der Hoffnung,
endlich aus dem Walde zu kommen. Nach mehr als
einer Stunde beſchwerlicher Wanderung rief Michel freudig
aus: „Wir müſſen nun nicht weit von einem Hauſe ſein,
denn ich ſehe ein Licht durch die Bäume ſchimmern.“ So
ermuthigten ſie ſich und eilten weiter, dem Scheine zu.
Doch bald fanden ſie, anſtatt eines Hauſes, daß das Licht
von ihrem eignen Feuer herkam, welches der Wind wieder
angefacht hatte. Nun verlor Michel gar alle Geduld
und rief leidenſchaftlich aus: „Wahrhaftig, wir müſſen
behext ſein!“ Doch Fanchon ſagte: „Beruhigt Euch und laßt
uns zu böſem Spiel gute Miene machen. Eine Nacht im
Walde wird uns auch noch nicht umbringen. Aber dem
Kleinen müſſen wir wieder ein Bett machen und ihn recht
warm zudecken, denn ich fange an die kühle Morgenluft
zu fühlen.“ — — Obgleich nun, wie wir ſehen, des
braven Mädchens Muth auch jetzt noch nicht erſchöpft war,
ſo waren es doch ihre Glieder. Sie ward ſo weiß, wie
das Tuch um ihren Hals; es ergriff ſie ein heftiges Zittern,
die Zähne klapperten ihr im Munde und faſt bewußtlos
ſank ſie auf den Boden hin. — „O, Fanchon, mein armes
Mädchen,“ rief der junge Mann verzweifelt aus, indem
er ſie aufhob und zu dem Bette trug, das für den Knaben
bereitet war, „ich hätte meine Ungeduld bezähmen und
Dich ſchlafen laſſen ſollen! Ich allein bin an allem Un—
C. Grimm, Lebensbilder. 15