Full text: Lebensbilder aus der Wirklichkeit, nach englischen Originalen bearbeitet und der heranreifenden Jugend zur belehrenden Unterhaltung gewidmet

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Meinung, daß es Lucie iſt, die wir geſehen haben? War 
ſie es wirklich, ſetzte ſie ernſthafter hinzu — „ſo denke 
ich, verdient ſie ſchwerlich all' die Unruhe, die Sie ſich 
ihretwegen machen. Der jungen Dirne Freundſchaft für 
dieſen Andreas ſpricht nicht ſehr zu ihren Gunſten.“ — 
„Ei warum denn nicht? Sie können doch unmöglich 
meinen, daß er das Taſchenbuch geſtohlen hat?“ — — 
„Vielleicht nicht, doch ſeine vertraute Bekanntſchaft mit 
denen, die es thaten, leitet zu dem Schluſſe, daß ſolche 
Auftritte ihm nicht neu ſind. Denken Sie nur an das 
alte Sprichwort: „Sage mir, mit wem du umgehſt, ſo 
will ich Dir ſagen, wer Du biſt.““ — — Ohne hierauf 
zu erwidern, fragte Adele: „Meinen Sie nicht, daß wir 
von dem, was wir in der Straße mit angeſehen, dem 
Polizeibüreau eine Anzeige machen müßten? Ich möchte 
ſchwören, daß der arme Andreas mit dem Inhalte der 
Brieftaſche gänzlich unbekannt war.“ — — So ſchien 
es,“ entgegnete Frau von Heranville, „morgen werde ich 
an den Polizeidirector ſchreiben, unſer Zeugniß mag dem 
Angeklagten von Nutzen ſein.“ — — „Morgen erſt!“ 
dachte Adele, „und bis morgen muß er alle Angſt der 
ſchrecklichſten Ungewißheit ertragen!“ Sie ſprach dieſe 
Gedanken nicht aus, blickte ihrer Begleiterin in's Antlitz 
und fragte ſich, ob wol dereinſt, wann das ihrige ſo blaß 
und verblüht ſein werde, auch ihr Herz ſo kalt ſein könnte? 
Ein ſeltſam trauriges Gefühl beſchlich ſie und auf dem
	        
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