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„Ich vertraue Dir ganz!“ ſagte ſie in Erwiderung auf
des jungen Mannes Worte: „gewiß, ich thue es. Und
nun lebe wohl, mein lieber Andreas; bald ſehen wir uns
wieder in unſrer lieben, ſchönen Normandie!“ Und ſie
reichte ihm ihre kleine Hand, die er ergriff und einige
Augenblicke ſprachlos hielt. Endlich ſagte er: „darf ich
Dich denn nicht nach Hauſe begleiten?“ — — „Nein,
mein lieber Andreas, es iſt beſſer, wir ſcheiden hier; wir
dürfen unſerm Muthe nicht zu viel vertrauen: ſchon ſo
oft hat er uns verlaſſen!“ Indem ſie ſo ſprach, erhob ſie
den Kopf und ſah mit thränenvollen Augen zu ihrem Ge⸗
fährten auf. Da blickte Adele in ein Geſicht von auf—
fallender Schönheit, doch abgezehrt und blaß bis zu einem
ſchmerzlichen Grade, vielleicht mehr noch ſo erſcheinend
durch den Mangel des Haares. Thränen drangen
in Adelens Augen; ihr Herz ſchmolz in Mitleid, denn in
dem gramverzehrten Geſicht vor ihr las ſie eine bittere
Geſchichte. — Faſt inſtinetmäßig zog ſie ihre Börſe und
rief, aus dem Wagen gelehnt: „Lueie! Lucie!“ Doch das
junge Mädchen hörte ſie nicht mehr; ſchon hatte ſie ſich
umgewandt und eilte davon, während Andreas daſtand
und ihr nachſah mit dem Ausdruck, als frage er ſich: ob
das Geſchehene kein Traum ſei? Tief verſunken in ſeine
ſchmerzlichen Gedanken, vernahm er es nicht, daß die beiden
Damen im Wagen wiederholt ſeinen Namen riefen. End—
lich befahl Adele dem Bedienten, den jungen Mann anzu⸗