Full text: Lebensbilder aus der Wirklichkeit, nach englischen Originalen bearbeitet und der heranreifenden Jugend zur belehrenden Unterhaltung gewidmet

Kind,“ redete ich ſie an — denn ich konnte ſie unmöglich 
ſo vorüber gehen laſſen — „möchten Sie nicht irgend 
Etwas kaufen? z. B. ein Paar Kämme? Ich habe einige 
ſehr wohlfeile. Freilich,“ ſetzte ich mit einem Seufzer 
hinzu, als ſie doch vorüber gehen zu wollen ſchien, „ein 
ſo ſchönes Haar, wie Ihres, bedarf keiner Verzierung.“ 
Bei dieſen Worten kehrte ſie ſchnell um, blickte mir in's 
Geſicht und fragte eifrig: „Wollen Sie mein Haar kau⸗ 
fen, mein Herr?“ — — „Sehr gern, mein Kind,“ ver⸗ 
ſetzte ich; und nach wenigen Augenblicken ſaß ſie ſchon in 
meinem Laden, und meine blankeſte Scheere ſpielte in mei— 
ner Hand über ihrem jugendlichen Kopfe. Aber es ſank 
mir der Muth; ich hatte nicht das Herz zuzuſchneiden, und, 
ſchon geneigt, das Anerbieten auszuſchlagen, fragte ich: 
„Thut es Ihnen nicht leid, mein gutes Kind, ſich von Ihrem 
ſchönen Haar zu trennen? — — „Oh nein,“ verſetzte ſie 
raſch entſchloſſen, faßte es allzuſammen mit einer Hand 
und legte es in meine. Die Verſuchung war mir zu 
groß, und überdies ſah ich ja, daß ſie ſelbſt den Handel 
ſehr ungern aufgegeben haben würde. Ihre Miene verän⸗ 
derte ſich in der ganzen Zeit auch nicht ein einziges Mal, und 
als Alles vorüber war, bückte ſie ſich nur, um eine auf den 
Boden gefallene kleine Locke aufzuheben, und fragte ohne 
Zittern in der Stimme: „Darf ich dies behalten, mein 
Herr?“ — Ich bejahte und bezahlte ihr den Preis, um 
den wir einig geworden waren; dann ging ſie lächelnd
	        
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