Der Palaſt der Rache. 257
liebe der Imis zu ihm, ließ ihn auch nicht befuͤrch⸗
ten, daß ſie ihm untreu werden wuͤrde. Den Tag
nach der Wundergeſchichte im Irrgarten, ſah die
Prinzeßinn, fruͤh da ſie vom Schlafe erwachte,
zwoͤlf kleine Rymphen, welche auf Bienen reitend,
in ihrem Zimmer herum flogen; und eine jede
hatte ein goldenes Koͤrbchen in der Hand. Sie
kamen zu ihr ans Bette, begruͤßten ſie, und ſetzten
hernach ihre Koͤrbchen auf eine Tafel von weiſſen
Marmor, welche aber erſt im Zimmer entſtand.
Nachdem ſie die Koͤrbchen niedergeſetzt hatten, be⸗
kamen die Nymphen ihre ordentliche Groͤße. Sie
begruͤßten die Prinzeßinn nochmals; und eine von
ihnen, welche naͤher als die andern zu ihr trat,
ließ etwas aufs Bette fallen: hernach flogen ſie
alle wieder fort. Die Prinzeßinn, wiewohl ſie
uber dieſe Neuigkeiten ſehr erſtaunet war, nahm
dennoch das, was die Rymphe hatte fallen laſ⸗
ſen, in die Hand, und beſah es. Es war ein
vortrefflich ſchoͤner Schmaragd; und ſo bald ihn
Imis beruͤhrte, eroͤffnete er ſich in der Mitte, und
ſie fand darinnen ein Roſenblat, auf welchem die⸗
ſe Verſe ſtanden:
Wie unerhoͤrt iſt deiner Schoͤnheit Macht!
Ein Wunder iſts, daß ſie an mir vollbracht:
Zu meiner Qual muß ich dich lieben;
Doch kan ich mich mit Luſt betruͤben.
Die Prinzeßinn konnte ſich vor groſſem Er⸗
ſtaunen kaum beſinnen. Endlich rief ſie ihren
R 5 Kam⸗